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Max Bruch (1838-1920): Kol Nidrei op. 47

Kol Nidrei – Adagio für Violoncello mit Orchester und Harfe nach Hebräischen Melodien

Max Bruch ist einer jener Musiker des 19. Jahrhunderts, die aufgrund “unglücklicher” Lebensdaten im Laufe der Zeit ins Abseits gerieten. Er wurde zu einem Zeitpunkt geboren worden, als Mendelssohn und Schumann noch jung waren, starb aber hochbetagt nach Mahler und Debussy. Wäre er wie Schumann und Mendelssohn früh gestorben, hätte man ihn als einen typischen Repräsentanten der mittleren Romantik angesehen, in der er seine musikalische Prägung erhielt. Weil er aber alt wurde und sich selbst treu blieb, zog die rasante Entwicklung der Musik im 19. Jahrhundert an ihm vorbei. Die Folge war, daß er am Ende als starrer “Akademiker” dastand. Er war das Opfer einer Zeit, die sich dem Fortschritt verschrieben hatte, ein Schicksal, daß er mit “klassizistischen” Komponisten wie Lachner, Hiller, Reinecke und Rheinberger teilte, die sich in der Verachtung oder zumindest Nichtachtung der progressiven neudeutschen Schule unter Liszt und Wagner einig waren und sich dadurch nicht zuletzt von der Publizität ausschlossen, die die neudeutsche Schule als die Vertreterin des Zeitgeistes vermitteln (aber eben auch verhindern) konnte.

Bruch ist heute in der Hauptsache für sein erstes Violinkonzert bekannt, dem genialen Wurf seiner ersten Schaffensperiode, an dessen Erfolg er, was exemplarisch für sein ganzes kulturhistorisches Schicksal ist, später mit zwei weiteren Violinkonzerten vergeblich anzuknüpfen versuchte. Großen Erfolg hatte aber auch das Kol Nidrei, eine Frucht seiner Berliner Jahre von 1878 bis 1880. Dort hatte er, wie er 1882 schrieb, als Dirigent des Stern`schen Gesangvereines, “viel mit den Kindern Israels zu tun”, wodurch er auch mit jüdischen Gebräuchen und Melodien bekannt wurde. “Kol Nidrei” sind die beiden ersten Worte eines wichtigen jüdischen Liturgietextes, der bei einer Andacht am Vorabend des Jom Kippur-Festes rezitiert wird. Bruch verwendete für seine musikalische Paraphrase über diesen Text zwei alte hebräische Melodien, die er in Berlin kennengelernt hatte. Kol Nidrei ist in zwei Abschnitte gegliedert. Dem ersten, durch Pausen betonten, Teil liegt der traditionelle Bußgesang des jüdischen Jom Kippur-Festes zugrunde. Im zweiten Abschnitt des Kol Nidrei verwendet Bruch Isaac Nathans Fassung von Lord Byrons Hymne „Oh Weep for Those that Wept on Babel's Stream“.
Moll und Dur wechseln sich in dem elegisch gehaltenen Stück ab. Bruch selbst verglich das Kol Nidrei mit seiner Schottischen Fantasie Es-Dur op. 46, »da es«, so Bruch, »wie diese, einen gegebenen melodischen Stoff in künstlerischer Weise verarbeitet«.
Die Uraufführung des Werkes fand im Jahre 1880 in Liverpool statt, wo Bruch im gleichen Jahr die Leitung der “Philharmonic Society” übernommen hatte.

In einem Brief vom Januar 1883 hatte Bruch geschrieben, der Erfolg des Kol Nidrei sei gesichert, “da alle Juden eo ipso dafür sind”. Aber selbst in diesem Punkte wurde er – posthum – noch von seinem generellen kulturhistorischen Schicksal ereilt. Im Jahre 1938 komponierte der Jude Arnold Schönberg, der damals radikalste Vertreter des musikalischen Fortschrittsglaubens, ebenfalls ein Kol Nidrei, wobei er sich, wie nicht anders zu erwarten, über Bruchs Werk abschätzig äußerte. “Eine meiner Hauptaufgaben”, so schrieb Schönberg, “war, die Cello-Sentimentalität der Bruch, etc. wegzutriolisieren.” Heute allerdings könnte Bruch, der zu Lebzeiten keiner Polemik mit den Progressiven aus dem Weg ging, darauf gelassen erwidern, daß Schönbergs “Kol Nidrei” kaum jemanden interessiere.

Quellen:
Essays - Musiktexte - Erzählungen
Wikipedia